Lernende der Primarstufe bringen gute Voraussetzungen für gelungene Europabildung mit.
Grundschulkinder verfügen bereits über fragmentarisches politisches Wissen und bilden in diesem Alter Grundlagen für Einstellungen und Werte aus, welche jedoch noch nicht etabliert und meist recht vorurteilsfrei sind. Europa findet in Teilen in den Klassenräumen durch die heterogene Zusammensetzung der Schüler/-innen statt. Es gibt Kinder aus verschiedenen Ländern die in deutschen Grundschulen miteinander lernen. In dieser Zeit der Entwicklung besteht also ein gut nutzbares Zeitfenster, um junge Menschen auf ein Leben auf unserem multinationalen, multikulturellen Kontinent vorzubereiten und ihnen die Chance von Vielfalt bewusst und wertvoll zu machen. Grundlagen für Toleranz, Akzeptanz und Aufgeschlossenheit gegenüber Menschen und deren vielfältigen Lebensweisen können in dieser Entwicklungsphase gerade durch die Neugier und Unbefangenheit der Lernenden gelegt werden. Hier bieten sich auch die täglichen Rituale in Grundschulen an, bei denen die Kinder sich begrüßen und auch sprachlich heterogen miteinander handeln.
So sollte die Auseinandersetzung mit den Grundwerten menschlichen Zusammenlebens, der Nachhaltigkeit einer ökologischen, sozialen und ökonomischen Entwicklung, der Gleichstellung und Diversität in der Gesellschaft sowie Möglichkeiten der Partizipation aufgegriffen und in allen Fächern der Primarstufe gefördert werden. Auch ein Blick in die Brotdose vermittelt schon einen Blick in den europäischen Raum und darüber hinaus.
Eine frühe Heranführung an demokratische und wirtschaftliche Prozesse ermöglicht es den Schülerinnen und Schülern, in diesem politisch-wirtschaftlichen System aufzuwachsen, sich darin zurechtzufinden und ihre eigene Mitbestimmung im europäischen Kontext vorzubereiten. Entsprechende für den Primarbereich konzipierte Formate wie logo fördern diese Teilhabe ebenfalls.
Zur Unterstützung dieser Ziele gibt es mittlerweile zahlreiche Materialien für den Primarbereich, die komplexe politische Themen wie z.B. die EU behandeln sowie durch altersgerechte Planspiele politische Vorgänge erlernbar und erfahrbar machen (s.u.). Dadurch kann zudem politische (Fach-) Sprache spielerisch erlernt und angewandt werden, was eine Partizipation an politischen Vorgängen schon in jungem Alter ermöglicht.
Durch die Auseinandersetzung mit vielfältigen Themen in allen Fächern der Primarstufe kann das Querschnittsthema Europa präsenter werden und so dazu beitragen, eine erste Grundlage für die Ausbildung einer europäischen Identität und die Förderung der interkulturellen Kompetenz der Lernenden zu legen.
Hinführung zu demokratischem Handeln und grundlegendes Wissen über Europa sind wichtige Lernziele der Europabildung im Primarbereich.
In der Auseinandersetzung mit Themen rund um Europa und dessen Vielfalt können Grundschülerinnen und -schüler beginnen, ihre persönliche Identität in einem größeren kulturellen Kontext zu sehen. Zum einen können sie sich so ihrer eigenen kulturellen Prägung bewusstwerden und diese in der Gruppe reflektieren lernen.
Zum anderen erwerben sie politisches Wissen - verstanden als „menschliches Handeln zur Herbeiführung allgemeinverbindlicher Entscheidungen“[1], entwickeln politisches Interesse und werden in ihrer politischen Kompetenz gestärkt, vor allem im Hinblick auf Möglichkeiten der Mitbestimmung..
Auch physische Begegnungen mit europäischen Gleichaltrigen sind möglich.
Einzelne Grundschulen haben darüber hinaus erfolgreich Schüleraustausche initiiert, die bereits jungen Menschen eine authentische Erfahrung europäischer Vielfalt erlauben. Die Grundschule am Mühlenredder in Reinbek führt beispielsweise seit vielen Jahren Austausche mit der deutschen Schule in Helsinki durch. Erfolgreiche Austausche mit französischen Schulen der Partnerregion Pays de la Loire und werden durch das Projekt ScHool goes International initialisiert und weitergeführt (s. auch Kapitel 6: Mobilitäten für Lehrende und Lernende sowie Kapitel 7.5: eTwinning).
Es ist für die Europabildung von großer Bedeutung, dass auch Grundschullehrkräfte diese fächerübergreifende schulische Aufgabe als eine besondere Förderungsmöglichkeit ihrer Lernenden annehmen, unterrichtlich umsetzen und so das besonders wertvolle Zeitfenster nutzen, in der das Selbstverständnis der jungen Menschen im Sinne (auch) einer europäischen Identität gefördert werden kann. Hilfreiche Unterstützung finden Grundschullehrkräfte in der pdf-Datei, die im Abschnitt "Materialien" dieser Website verfügbar sind: Dort sind niedrigschwellige Angebote mit einem Stern * markiert.
[1] vgl. Oberle, M., S. Ivens & J. Leunig (2018). EU-Planspiele in der Grundschule - Ergebnis-se einer Interventionsstudie. In: Schöne, H. & K. Detterbeck (Hg.). Europabildung in der Grundschule. Frankfurt: Wochenschau Politik, S. 102.