Bildende Kunst ermöglicht nonverbale kultur- und zeitüberschreitende Kommunikation und zeigt Verbindendes.
Bildende Kunst ist per se ein grenzüberschreitendes Arbeitsfeld. Die „Sprache“ der Kunst ist, anders als Schrift- bzw. Wortsprache, über Jahrtausende hinweg verstehbar. So geben die ersten Höhlenmalereien auch heute klare Informationen über Lebensumstände und Kultur der Autorinnen bzw. Autoren. Bilder aus vergangenen Zeiten erlauben einen Einblick in lokale und regionale Gegebenheiten.
Im Laufe der menschlichen Entwicklung haben sich Wort- und Schriftsprachen entwickelt, die bis heute jeweils nur für einen begrenzten Kulturkreis verständlich sind. Und selbst innerhalb eines Kulturkreises konnten viele Menschen weder lesen noch die gesprochene Herrschaftssprache verstehen, doch wichtige Informationen sollten auch sie erreichen. Der Erwerb entsprechender Fremdsprachenkenntnisse ist heute üblicher als früher, dennoch reicht auch heutzutage die Lingua franca Englisch nicht in jeder internationalen Kommunikationssituation aus.
Bilder dienen seit jeher der nonverbalen Kommunikation.
So wurden von alters her Bilder zur Kommunikation verwendet. Viele Schriften haben genau mit diesen Bildzeichen begonnen und manche haben solche Zeichen vereinzelt heute noch. Die große Menge der daraus entwickelten abstrakten Zeichen, den Buchstaben, führt jedoch nicht zu verbesserter weltweiter Kommunikation. Wenig überraschend ist daher, dass, je mehr die Welt zusammenrückt, desto stärker geht Kommunikation wieder zurück zu Bildern geht – die Welt ist voller Icons und Piktogramme.
Mit zunehmender Mobilität der Menschen wächst auch der Informationsaustausch zwischen Künstlerinnen und Künstlern. „Typisch“ nationale Kunst nimmt zunehmend Einflüsse aus anderen Länder auf und gibt eigene Ideen weiter.
Stillleben hat es beispielsweise in bestimmten Epochen überall gegeben, nicht nur in den Niederlanden. Obwohl Obst, Wein und Käse eher mediterran wirken und Fisch, Bier und Brot nordisch anmuten, handelt es sich dennoch um Stillleben.
Auch Landschaften sehen zwar überall unterschiedlich aus, Landschaftsmalerei gibt es aber über Jahrhunderte nicht nur im abendländischen Kulturraum, sondern weltweit.
In heutiger Zeit verweist die Vielfalt der künstlerischen Techniken auf die Entwicklung der Gesellschaft sowohl national als auch international. Die einzelnen Werke können in ihrer Entstehung längst nicht immer national zugeordnet werden, aber sie werden international verstanden.
Kunstunterricht nutzt diese Form der nonverbalen Kommunikation.
So bietet Kunstunterricht einen wichtigen Ansatzpunkt, denn nicht nur die Wortsprache ist ein zentrales Informations-, Kommunikations- und Ausdrucksmittel, sondern auch künstlerische Produktionen jeder Art.
In diesem Sinn sind auch die aktuellen Fachanforderungen formuliert, sie geben einen Eindruck von Zielen, Inhalten, Verfahren und Wirkungsmöglichkeiten des Faches.
„Kunstunterricht befähigt zur aktiven, verstehenden und gestaltenden Teilhabe an kulturellen Prozessen in einer sich ändernden Welt, im Bewahren und Nutzen des kulturellen Erbes, im Umgang mit gebauter und virtueller Architektur, mit der Ästhetik von Alltagsdingen, mit Phänomenen der historischen Kunst und der Kunst der Gegenwart.“[1]
Die Kompetenzbereiche des Faches Kunst ähneln denen in anderen Fächern.
Die Bedeutung des Faches zeigt sich auch an den Kompetenzen, die die Fachanforderungen für den Kunstunterricht sowohl für den Primar – wie auch den Sekundarbereich formulieren: Wahrnehmen, Beschreiben, Analysieren, Interpretieren, Beurteilen, Herstellen, Gestalten, Verwenden.
Die Inhalte im Fach Kunst sind frei wählbar.
Im Gegensatz zu den Vorgaben der meisten anderen Schulfächer sind den Kompetenzen jedoch keine Sachinhalte verbindlich zugeordnet:
„Die Vermittlung der Kompetenzen ist verbindlich. Ihnen werden mögliche Inhalte und Wissensbestände zugeordnet, die nicht verpflichtend vermittelt werden müssen.“ [2]
Die vermittelten Kompetenzen bereiten lebenslanges Lernen im internationalen Kontext vor.
Und noch ein weiterer Aspekt des Faches soll herausgestellt werden: „Kunstunterricht vermittelt Kompetenzen, die im Prozess lebenslangen Lernens notwendig sind.“[3] Lebenslanges Lernen muss heute zu einem großen Teil als Leben in internationalen Zusammenhängen verstanden werden.
Diese drei Charakteristika des Faches, die Verwandtschaft der Kompetenzbereiche, die Freiheit der Thematik und die Zukunftsorientierung bieten ideale Voraussetzungen für die fächerübergreifende Europabildung an der Schule.
Kunst ist prädestiniert für fächerübergreifende, handlungsorientierte Europabildung.
Es ist daher möglich und sinnvoll, europäische Themen jedweder Art in Theorie und Praxis einzusetzen, ebenso wie in der Vernetzung mit anderen Fächern. Die Zuordnung zu Fachthemen, Altersgruppen etc. wird besonders durch die Freiheit in der Themenwahl in der Regel möglich. Die Aufgabe von Fachkonferenzen im Rahmen einer entsprechenden Schulprofilierung ist es, diese Inhalte abzustimmen und bewusst in den Vordergrund zu stellen.
Neben dem fachimmanenten Einsatz ist die Unterstützung in allen anderen Bereichen des Schullebens nicht zu unterschätzen – Präsentationen, Dokumentationen, Kooperationen mit anderen Fächern und Querschnittsthemen, Ausgestaltung von Festen und Arbeitsergebnissen etc. In all diesen Bereichen kann Europa eine wichtige Rolle spielen.
Kunst erlaubt Kommunikation auch dort, wo Sprache nicht ausreichend zur Verfügung steht.
Dass gerade Projekte der bildenden Kunst ideal für die Bearbeitung in einem internationalen Team geeignet sind, versteht sich von selbst. Lernende können dabei nicht nur ein gemeinsames handlungsorientiertes Ergebnis erstellen, sondern dieses ist auch in der Regel im internationalen Kontext ohne Worte präsentierbar, sodass das Erfolgserlebnis eines abgeschlossenen Kunstprojektes in jedem kulturellen Rahmen mitgefeiert werden kann.
Der Europäische Wettbewerb bietet niedrigschwellige Möglichkeiten für Europabildung im Kunstunterricht.
Eine einfache Möglichkeit des fächerübergreifenden, kreativen Arbeitens bietet auch der jährlich stattfindende Europäische Wettbewerb, der für alle Altersstufen attraktive Themen mit europäischem Bezug bietet und auf den schon mehrmals hingewiesen wurde (s. auch Kapitel: 7.7.1 Europäischer Wettbewerb)
[1] Fachanforderungen Kunst für den Sekundarbereich I und II, 2015, Seite 76 (barrierearme Version Seite 127)
[2] Ebd. S. 82, barrierearme Version Seite 137, ähnlich formuliert in den Fachanforderungen für den Primarbereich, 2025, S. 25, barrierearm S. 40
[3] Ebd. Fachanforderungen Kunst Sekundarbereich, S. 76, barrierearme Version S. 127.