9. Sonderthemen in der Europabildung
In folgenden Kapiteln werden einige Themen aufgegriffen, die in der Europabildung vor Ort Herausforderungen darstellen: Wie kann man in die Europabildung niedrigschwellig einsteigen? Wie in heterogenen Klassen das Thema "Europa" ansprechen?
Wie auch bei den anderen Kapitel wird darum gebeten, Ergänzungen, Korrekturen und Bemerkungen an das Funktionspostfach europabildung@bimi.landsh.de zu senden.
Es gibt viele Ideen, die den Einstieg in Europabildung erleichtern.
Wenn für Sie die Integration des Themas "Europa" in den Unterricht ungewohnt ist, haben wir noch einige Tipps. Behalten Sie zunächst bei allen Planungen im Auge, dass es bei Europabildung darum geht, Lernende zu aktivieren.
Daher ist es nicht unbedingt wünschenswert, dass Sie als Lehrkraft das Thema vollständig, beispielsweise mit der Erstellung von Lückentexten vorbereiten. Insbesondere bei kreativen und handlungsorientierten Ansätzen können Lernende ja einen großen Teil der Recherche, Präsentation und Ausführung selbst gestalten. Die Möglichkeit, erarbeitete Inhalte auch jahrgangsübergreifend zu präsentieren, ermöglicht den Schülerinnen und Schülern zudem ein Gefühl der Selbstwirksamkeit. Einige Ideen, wie Unterricht für europäische Themen geöffnet werden kann, finden Sie bereits in Kapitel 5: Fachspezifische Hinweise zur Europabildung sowie in Kapitel 7: Europa in der Schule effizient erlebbar machen.
Sollte dies als Ideengeber nicht ausreichen, gibt es weitere Möglichkeiten zur Ideenfindung:
Die Fachkonferenz kann bei der Ideenfindung helfen.
Nehmen Sie sich auf der nächsten Fachkonferenz fünf Minuten Zeit für ein Brainstorming, bei dem Sie thematische Ansatzpunkte in Ihrem Fach für das Thema Europa suchen. Es kann sinnvoll sein, die Ideen schriftlich festzuhalten und erfolgreiche Ansätze im schuleigenen Curriculum zu institutionalisieren.
Einbeziehung von Schülerideen ist ein wichtiges Element, auch von Europabildung.
Bitten Sie die Teilnehmenden Ihrer eigenen Lerngruppe um ihre Ideen bezüglich europäischer Themen, die zu den Unterrichtsinhalten passen. Damit entlasten Sie nicht nur sich selbst, sondern teilen Verantwortung für den Lernprozess. Gerade die Möglichkeit für Kinder und Jugendliche, ihre Ideen in Bezug zu Europa zu verwirklichen, eigene Fragestellungen zu formulieren, diese forschend zu bearbeiten oder öffentlichkeitswirksam zu präsentieren, ermutigen sie, sich für unseren Kontinent und den Staatenverbund einzusetzen. Darüber hinaus bieten diese Ideenfindungen weitere Möglichkeiten der Erfahrung und Einübung demokratischer Prozesse. Ein partizipativer Ansatz und forschendes Lernen sind wichtige Elemente, auch von Europabildung.
Auch eignen sich diese Ideen, zumindest in der Sekundarstufe, auch für Kurzreferate oder Präsentationen, die in der Regel mit deutlich mehr Engagement umgesetzt werden als es bei vorgegebenen Themen geschieht.
Kooperation mit anderen Lehrkräften kann neue Perspektiven und Ideen zutage fördern.
Eine wertvolle Ressource kann in Ihrem eigenen Kollegium zu finden sein: Sprechen Sie Lehrkräfte anderer Fächerkombinationen an, ob Ihr Thema als gemeinsames (Unterrichts-)Projekt in einem anderen Fach geeignet ist (z. B. bestimmte politische Epochen in Europa in Verbindung mit Musikgeschichte oder die Erforschung der Fotosynthese/Evolution/des Atombaus in Europa als Comic/ Tuschezeichnung/ Theaterstück). Es bietet sich an, erfolgreiche Projekte in das schuleigene Curriculum aufzunehmen. Dabei wäre es jedoch wichtig, dass diese Absprachen in der gesamten Schulgemeinschaft bekannt werden, sodass Doppelungen und Ermüdung der Lernenden vermieden werden.
Internetrecherche und KI können bei der Ideenfindung helfen.
Wenn Sie nicht auf den Ideenpool Ihrer Klassen zurückgreifen möchten oder können, bietet sich eine Internetrecherche zum aktuellen Unterrichtsthema in Verbindung mit den Stichworten "Europa" oder "europäisch" durch. Manchmal kann auch eine entsprechende Frage bei KI-Tools wie ChatGPT oder ähnlichen Hilfsmitteln hilfreich sein. Hier kann es sich im Übrigen lohnen, die Frage auf Englisch zu übersetzen und diese dann erneut zu stellen – die entsprechenden Daten sind in dieser Weltsprache deutlich umfassender als im Deutschen. Eine sehr inspirierende Plattform bietet auch Europeana mit über 50 Millionen frei verfügbaren Materialien in allen Themengebieten und einer guten Suchfunktion.
Zum Einstieg in die große Materialfülle zu europäischen Themen bietet sich auch ein Podcast mit einer kurzen Vorstellung europäischer Materialien an, der hier verfügbar ist.
Abschlussprojekte des Zertifikatskurses Europakompetenz können inspirieren.
Auf der Website des Zertifikatskurses Europakompetenz sind darüber hinaus viele kreative Abschlussprojekte der letzten Jahre aus den Programmheften ersichtlich. Sie finden jeweils die Schule, an der dieses Projekt durchgeführt wurde und können gegebenenfalls eine Kontaktanfrage über Andrea.Heering@iqsh.de herstellen. Vielleicht haben Sie auch Interesse, selbst an einem dieser Kurse teilzunehmen? Weitere Informationen finden sie ebenfalls auf der angegebenen Website.
Die Integration europäischer Themen wird ihren Unterricht bereichern.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Sie wie viele Lehrkräfte vor Ihnen feststellen, dass der erweiterte Blick auf Unterrichtsthemen den Lernenden deutliche Vorteile bietet und zusätzliche Begründungen für die Relevanz des Lernstoffs aufzeigt. So werden die Lernenden in ihrem Lernprozess in einen umfassenderen europäischen Kontext eingebunden, der die Signifikanz des Lernprozesses noch stärker verdeutlicht. Dies wird je mehr der Fall sein, desto stärker eine entdeckende und handlungsorientierte Methode bei europäischen Themen realisiert wird.
In multikulturelle Schulgemeinschaften haben die Europäischen Grundwerte eine besondere Bedeutung.
Junge Menschen mit Migrationshintergrund haben, manchmal sogar ohne ihre Eltern die Heimat aus verschiedenen Gründen verlassen und in Deutschland/Schleswig-Holstein ein neues Zuhause gesucht. Die demokratisch-freiheitliche Grundordnung, die Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung und andere europäische Werte sind dabei oft Faktoren, die Deutschland attraktiv gemacht haben.
So wird mit Migration kultureller Reichtum in unsere Schulen gebracht, der, gerade im Sinne einer interkulturellen Begegnung und des interkulturellen Lernens, eine Bereicherung für die Schulen ist. Gleichzeitig ist es von Bedeutung, diese Menschen in eine Gesellschaft zu integrieren, in der neben nationalen Werten auch europäische Werte das soziale und politische Zusammenleben formen.
Um dies zu erreichen, ist es unerlässlich, dass Menschen mit Migrationshintergrund Zugang zu Informationen über Europa und seine Bedeutung erhalten. Dies fördert ihre Integration, ermöglicht die Entfaltung ihrer Potenziale und ermutigt sie, aktive Mitglieder der europäischen Gesellschaft zu werden.
Insofern bieten sich gerade europäische Themen an, bei denen der Wahlspruch Europas „in Vielfalt geeint“ erlebbar wird. Das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft in Schulen kann so als Modell für das multikulturelle Europa dienen, das sich stets in einem integrativen Prozess befindet und befinden wird.
Das Zusammenleben in diesen Schulgemeinschaften kann als Modell für das Zusammenleben in Europa genutzt werden.
Die vielfältige Geschichte Europas, während der zahlreiche Kulturen zu einem harmonischen Gesamtgefüge verschmolzen sind, ermutigt zur Entwicklung von Ansätzen, die Vertrautheit und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit fördern. Das Verständnis für europäische Werte, Geschichte und Kultur, verbunden mit persönlichen Erfahrungen, kann, auch bei Menschen aus außereuropäischen Kulturkreisen, dazu beitragen, eine gemeinsame Identität zu gestalten und Integration zu unterstützen. Kultureller Austausch fördert Vielfalt in Schulen, stärkt das Interesse am Unbekannten und die Toleranz gegenüber unterschiedlichen Denkweisen.
Konkret bietet sich immer ein Austausch über die Esskultur an, und damit ein Austausch mit allen Sinnen. Weiterhin können aber auch Sprache, Musik oder Kunst einfache Zugänge für bereichernde Ansätze geben, was im nächsten Abschnitt 9.3. weiter ausgeführt wird.
Lernende im DAZ-Bereich können auch nonverbal an Europabildung teilhaben.
Auch bei Lernenden mit Migrationshintergrund, die geringe Deutschkenntnissen haben, können europäische Themen behandelt werden. Hier bieten sich besonders visuelle Materialien oder mehrsprachige Bücher, Bilder und Grafiken an. So werden Zusammenhänge verstehbar und wichtige Vokabeln zur politischen und gesellschaftlichen Teilhabe können erlernt werden. Dies unterstützt den Spracherwerb und ihre Integration in das deutsche Bildungssystem.
Mehrsprachige Materialien zur Europabildung sind online verfügbar.
An dieser Stelle sei auf Materialien verwiesen, die von der Bundeszentrale für Politische Bildung mehrsprachig zur Verfügung gestellt werden, beispielsweise ein Poster mit den Menschenrechten oder das deutsche Grundgesetz. Vor Wahlen bietet die Bundeszentrale auch aktualisierte Informationen in verschiedenen Sprachen. Ein besonderes Angebot für Lernende bietet die Lernecke der Europäischen Kommission, bei der die Spracheinstellung geändert werden kann und auf diese Weise Materialien in vielen Sprachen der EU heruntergeladen werden können.
Europabildung kann integrativ genutzt werden.
Gerade dann, wenn die Lernenden, wie in der europäischen Kultur seit Jahrhunderten geschehen, auch ihr eigenes kulturelles Erbe einbringen können und dabei Wertschätzung erfahren, erleben sie sich als Teil der neuen Gemeinschaft und ihr Zugehörigkeitsgefühl wird gestärkt. Es zeigt ihnen, dass sie Teil einer größeren Gemeinschaft sind und ermutigt sie, sich aktiv in ihrem neuen Umfeld zu engagieren. In gleichem Maß ziehen auch Schülerinnen und Schüler in Deutschland Vorteile aus diesem Austausch, da er ihnen die Möglichkeit bietet, ihre eigene Identität zu reflektieren und gleichzeitig den Respekt vor anderem kulturellen Erbe zu vertiefen.
Die Integration der Eltern in diesen Prozess kann Europabildung bereichern.
Eine bedeutsame Unterstützung in diesem Zusammenhang kann durch Einbindung der Eltern entstehen, die die Gelegenheit zur aktiven Mitgestaltung von Europa-Projekten erhalten. Gerade auch kulinarische oder kulturelle Beiträge sowie eine Unterstützung bei der Organisation bieten Möglichkeiten des Engagements. Die entstehende Wertschätzung aus dieser Zusammenarbeit wird, möglicherweise mit Unterstützung von Dolmetschenden, als solide Grundlage für weitere Gespräche dienen, und somit Vertrauen aufbauen. Auch wird dieser Kontakt helfen, einen unbelasteten Lernprozess der Jugendlichen in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung überzeugend zu gestalten.
Europabildung ermöglicht viele verschiedene Zugänge und damit Inklusion aller in den Lernprozess.
Europäische Themen sind für alle Menschen unseres Staatenbundes relevant, sei es für die berufliche Entwicklung, die gesellschaftliche/ politische Teilhabe oder den privaten Bereich. Dies spiegelt sich in den Themen und Methoden wider, die in der schulischen Europabildung zum Tragen kommen. Inhalte können sowohl intellektuell anspruchsvoll als auch niedrigschwellig, also stärker kognitiv oder eher über kreative Zugänge gestaltet werden. So könnte beispielsweise die Kultur eines Landes im Mittelpunkt stehen, dabei ein Plakat erstellt, ein Tanz oder ein Lied gelernt und Referate über die Wirtschaftsbeziehungen/ die Geschichte dieses Landes gehalten werden. Je nach Aufteilung der Gruppen kann sich jedes Gruppenmitglied aktiv einbringen und einen wertvollen Beitrag zum Gesamtprojekt leisten.
So ermöglicht Europabildung die Teilhabe aller Lernenden und ermutigt sie, sich mit der Europäischen Idee auseinanderzusetzen sowie sich selbst zu engagieren. Gerade hier ist es also wichtig, niemanden zurückzulassen und so nationalistischen, ausgrenzenden und rassistischem Verhalten vorzubeugen (s. auch Kapitel 9.2: Europabildung in einer multikulturellen Schulgemeinschaft).